Ein Beitrag von Leo Palm, Philipp Wohltmann, Moritz Plohberger, Miriam Maurer, Yasmina Gad und Lena Fath
Zerbrechlich wie Porzellan
Simey wird 1995 geboren, als Tochter einer Deutschen und eines ehemaligen Flüchtlings aus China. Schon in früher Kindheit erleidet sie zahllose Knochenbrüche.
„Bei 300 hat meine Mutter aufgehört zu zählen – da war ich gerade einmal drei.“
Doch glücklicherweise heilen sie auch schnell. „Das ging ratzfatz, nach drei Tagen war ich wieder fit“, sagt Simey.
Heute ist das anders – ein Oberarmbruch ist nach über einem Jahr noch nicht vollständig geheilt.
„Osteogenesis imperfecta“, umgangssprachlich auch Glasknochenkrankheit genannt, begleitet die Frau schon seit ihrer Geburt. Scheinbar harmlose Situationen sind für sie eine Herausforderung, denn ihre Knochen brechen so leicht wie Glas. Viel Tumult und große Menschenmengen vor und im Bus, aus Versehen angerempelt werden – das kann für Simey gleich ein paar gebrochene Rippen oder einen gebrochenen Arm bedeuten. Die OI ist eine seltene Erbkrankheit und zieht verschiedene Symptome nach sich, wie zum Beispiel Kleinwüchsigkeit, Schwerhörigkeit, skelettale Deformierungen, Kurzsichtigkeit und Betroffene sind auf den Rollstuhl angewiesen – so auch in Simey’s Fall. Ein Körper aus Glas bedeutet viele Einschränkungen, doch trotzdem möchte Simey nicht in Watte gepackt werden. Für sie steht die Freude am Leben an erster Stelle!
Hartes Leben? Der Alltag als Herausforderung
Geht nicht, gibts nicht!
Anders als andere Menschen mit OI, verrichtet Simey ihren Alltag alleine. Das ist nicht immer einfach, denn was für normale Menschen selbstverständlich ist, ist für die Kleinwüchsige oft ein Problem. Die zu hohe Theke beim Bäcker, der unerreichbare Bank-oder Parkautomat, oder aber Treppen anstelle einer Rampe, die Simey den Zugang unmöglich machen. Wenn die banalsten Dinge nicht funktionieren, kann sich die Laune schnell ändern.
„Es gibt viele gute, aber auch viele weniger gute Tage, an denen man sich sehr viele Gedanken macht, die einem richtig runterziehen können.“
Doch Simey lässt sich die Lebensfreude auf keinen Fall nehmen. Um schlechte Gedanken gleich aus der Welt zu schaffen, unternimmt sie viel mit ihren Freunden, geht ins Kino oder shoppen. Ein guter Tag mit Freunden ist eben doch die beste Medizin. Auch wenn es Simey im Leben nicht immer einfach gemacht wird, aufgeben gibt es für sie nicht!
Auf die Hilfe von anderen angewiesen
Der Bus hält an der Haltestelle. Der Busfahrer muss aussteigen, die Rampe muss ausgeklappt werden. Simey fährt hoch und muss sich zwischen den wartenden Fahrgästen einen sicheren Platz für die Fahrt suchen. Die Rampe muss wieder eingeklappt werden, der Busfahrer muss wieder einsteigen. Türen gehen zu, es kann losgehen. Eine aufwendige Prozedur, aber unerlässlich für Simey.
Blick in die Vergangenheit Simeys Kindheit
Kampf um Inklusion
Ihre Mutter muss hart dafür kämpfen, dass Simey auf die Regelgrundschule gehen kann. Das uralte Gebäude ist nicht barrierefrei. Doch mithilfe von Zivildienstleistenden, die die kleine Simey mitsamt Rollstuhl die Stufen hochtragen, kann sie letztendlich ganz normal unterrichtet werden. Bei der weiterführenden Schule wird es schwieriger – Simey möchte unbedingt aufs Gymnasium, mit ihren Freunden. Doch der Streit um einen Umbau der Schule, sodass sie behindertengerecht wird, zieht sich, und Simey muss auf eine Gesamtschule. Bis der Umbau durchgesetzt ist, ist sie bereits in der 7. Klasse. Ein Wechsel lohnt sich nicht mehr und Simey macht ihr Abitur an der anderen Schule. Die Schulzeit ist durchwachsen. Simey muss sich mit mobbenden Mitschülern auseinandersetzen; einmal wird ein Ausflug in den Kletterpark verworfen, weil sie da nicht mitkann. Das verärgert einige Klassenkameraden. Man lässt Simey spüren, dass sie anders ist, und dass sie stört, dass man auf sie Rücksicht nehmen muss. Jetzt an der Uni, sagt Simey, gefällt es ihr viel besser. Hier behandeln sie die Leute ganz normal.
Ein Wunsch geht in Erfüllung Studieren an der Uni Mainz
Endlich frei
Die Uni ist für Simey wie eine Erlösung: Sie wird nicht mehr gehänselt und es gibt kaum noch Barrieren, die sie nicht überwinden kann. Sie musste nicht dafür kämpfen, dass sie auch als Rollstuhlfahrerin, so studieren kann, wie alle anderen und mit dem Studium kommt Simey ihrem Traumberuf endlich immer näher.
„Mein Wunsch ist es später einmal beim ZDF oder SWR arbeiten zu können.“
Außerdem hat die Kleinwüchsige hier schnell Freunde gefunden, die sie so mögen, wie sie ist und sie unterstützen. Für Simey hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen, in dem sie selbstständig ihre Träume verwirklichen kann und ihr von anderen keine Grenzen mehr gesetzt werden.
Am Ende zählt nur der Spaß Go Simey!
Lebensfroh? Sowieso.
Trotz all den Hürden und Problemen die Simey schon Zeit ihres Lebens begleiten ist sie lebensfroh. Seit sie sechs Jahre alt ist, ist sie Mitglied im Elektrorollstuhl-Hockey Verein der „Rolli Teufel Ludwigshafen“ , die sogar in der 1. Bundesliga spielen. Elektrorollstuhl-Hockey ist nicht nur ihre große Leidenschaft, sondern auch eine anspruchsvolle Sportart – es gilt, den Rollstuhl schnell und geschickt zu manövrieren und gleichzeitig noch einen Hockeyschläger zu schwingen.
Nach einem langen Tag kann Simey hierbei abschalten, alles ausblenden und einfach nur Spaß mit ihren Freunden haben. Das ist das Wichtigste.
Auch wenn nicht immer alles rund läuft, am Ende des Tages ist Simey glücklich mit ihrem Leben. Sie hat ihr Schicksal angenommen und alles was es mit sich bringt; denn sie kennt ihr Leben ja auch gar nicht anders. Für Simey wird es immer nur eines geben – der Blick nach vorne.
„Was vor uns und was hinter uns liegt, ist unbedeutend, verglichen mit dem, was in uns steckt!“
– Ralph Emerson Walden